Felix-Klein-Modellierungswoche, 26. Februar bis 03. März 2023
Vom 26. Februar bis 03. März 2023 fand die erste von zwei mathematischen Modellierungswochen dieses Jahres in der Jugendherberge Kloster Leutesdorf statt. Insgesamt 28 Schüler:innen und sieben Lehrkräfte aus ganz Rheinland-Pfalz arbeiteten gemeinsam in Kleingruppen an fünf spannenden Modellierungsprojekten. Unterstützt wurden sie dabei von fünf KOMMS-Mitarbeiter:innen.
Bei allen Projekten stand in dieser Woche das Thema Zeit im Mittelpunkt:
- Thema 1: 1. FC Kaiserslautern – Erneuter Aufstieg?
- Thema 2: Wie viel bringt denn nun ein Tempolimit?
- Thema 3: Wie können wir einen guten Dienstplan für ein Krankenhaus erstellen?
- Thema 4: Wann erreichen wir das Maximum?
- Thema 5: Profiling für deine Routenplanung
Neben der Mathematik, die in der Gruppenarbeit und in ergänzenden Vorträgen und Workshops im Vordergrund stand, genossen die Schüler:innen einen gemeinsamen Ausflug in den Neuwieder Zoo und einen Spaziergang zur Leutesdorfer Weinbergschaukel.
Thema 1: 1. FC Kaiserslautern – Erneuter Aufstieg?
In dem Projekt "1. FC Kaiserslautern - Erneuter Aufstieg?" haben sich die Schüler:innen mit der Frage beschäftigt wie (un)wahrscheinlich ein Durchmarsch des 1. FC Kaiserslautern in die 1. Bundesliga ist und wie sich das mit mathematischen Methoden berechnen lässt. Dazu wurden zahlreiche vergangene Spiele analysiert und Zusammenhänge zwischen dem Spielergebnis und verschiedener Spielstatistiken ermittelt. Beim 1. FCK führt beispielsweise ein hoher Ballbesitz tendenziell zu einem schlechteren Ergebnis, wohingegen sich die Chancenverwertung (d.h. Tore pro Torschüsse) positiv auf das Ergebnis auswirkt. Damit und mit weiteren Einflussgrößen (Heim/Auswärtsvorteil, Zweikämpfe, Passquote, ...) wurden verschiedene Vorhersagemodelle entwickelt, die den weiteren Verlauf der Saison prognostizieren. Validiert wurden die Modelle anhand der bereits gespielten Spiele in der Rückrunde. Das Modell, das den aktuellen Stand der Tabelle bis zum heutigen (22.) Spieltag am besten vorhergesagt hatte (vgl. Abbildung 2), sagt voraus, dass der 1. FCK voraussichtlich "nur" auf dem 5. Platz landen wird (vgl. Abbildung 1).
Thema 2: Wie viel bringt denn nun ein Tempolimit?
Die Ergebnisse einer neuen Studie des Umweltbundesamtes legen nahe, dass durch ein allgemeines Tempolimit von maximal 120 km/h auf Autobahnen die Treibhausgasemissionen um 4.2% reduziert werden könnten (bezogen auf 2018). In den neuen Überlegungen wurden neben der Reduzierung der mittleren Durchschnittsgeschwindigkeit durch ein Tempolimit zwei weitere Effekte berücksichtigt: Der Routenwahleffekt und der Nachfrageeffekt. Ziel des Projekts war es, die Annahmen und Effekte der Studie modellhaft zu simulieren, um die Ergebnisse zu überprüfen. Ein weiterer Aspekt war die Modellierung weiterer Annahmen oder Effekte und die Analyse des geänderten Verkehrsflusses.
Zunächst beschäftigten sich die Schüler:innen mit dem Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit, Beschleunigung und CO2-Ausstoß. Anhand verschiedener Beispielstrecken, die mit Hilfe von realen Daten aus OpenStreetMap gewonnen wurden, konnten sie anschließend die Auswirkungen von Tempolimits auf Reisezeit und CO2-Ausstoß untersuchen. Dabei wurde allerdings noch mit durchschnittlich gefahrenen Geschwindigkeiten gearbeitet. Eine weitere spannende Aktivität war die Nutzung eines zellulären Automaten, basierenden auf dem etablierten Verkehrsflussmodell von Nagel-Schreckenberg. Damit gelang es, den Einfluss von Tempolimits auf die Staubildung zu untersuchen. Insgesamt hat das Team während der Arbeit einen guten Einblick in die Modellierung, die einer fundierten Studie zum Nutzen eines Tempolimits zugrunde liegt, bekommen. Es wurden einige verwendete Annahmen kritisch hinterfragt und Ideen zur Verfeinerung der Modelle diskutiert.
Thema 3: Wie können wir einen guten Dienstplan für ein Krankenhaus erstellen?
Die Gesundheitszentren Rhein-Neckar sind ein Verband aus vier Kliniken mit angeschlossenen medizinischen Versorgungszentren und weiteren Einrichtungen. Für die Ärzt:innen, die in den verschiedenen Abteilungen dieser Kliniken arbeiten, muss regelmäßig ein passender Dienstplan erstellt werden. Darin wird festgelegt, welcher Arzt und welche Ärztin zu welchem Zeitpunkt welche Schicht übernimmt. Dabei müssen jedoch eine Vielzahl von Restriktionen beachtet werden: Beispielsweise gibt es Früh-, Spät- und Bereitschaftsdienste, die alle besetzt werden müssen, Ärtz:innen dürfen nur eine bestimmte Anzahl an Stunden am Stück arbeiten, verschiedene Dienste erfordern unterschiedliche Qualifikationen der Mitarbeiter:innen, Urlaub- und Krankheitstage müssen berücksichtigt werden, etc.
Ziel dieses Projektes war es, ein mathematisches Modell zur Erstellung eines guten Dienstplanes zu entwickeln, d.h. der berechnete Plan soll die äußeren Rahmenbedinungen erfüllen und zudem noch möglichst "fair" gegenüber den Mitarbeiter:innen sein. Ein erster Ansatz der Schüler:innen lieferte ein Punktesystem, um eine faire Auswahl der möglichen Ärzt:innen bei der Besetzung der nächsten Schicht zu ermöglichen. Diese Punkte setzten sich zusammen aus der persönlichen Arbeitslast und der bereites geleisteten Arbeitszeit im betrachteten Monat. Weiterhin gelang es den Schüler:innen Urlaubstage in das Modell zu integrieren und die Arbeitslast der Mitarbeiter:innen von einem auf den nächsten Monat durch Durchschnittsbetrachtungen zu integrieren.
Wir danken Frau Katharina Elbs und den Gesundheitszentren Rhein-Neckar für ihre Kooperation in diesem Projekt.
Thema 4: Wann erreichen wir das Maximum?
Die Weltbevölkerung scheint ständig zu wachsen und mittlerweile gibt es über 8 Milliarden Menschen. Da stellt sich die Frage, wie dieses Wachstum mathematisch beschrieben werden kann und wie es weitergeht. In den Medien hört man dazu unterschiedliche Zahlen: manche Prognosen gehen von 10 Milliarden Menschen im Jahr 2057 aus, andere schätzen die Weltbevölkerung mit knapp 11 Milliarden im Jahr 2100. Die meisten Prognosen gehen davon aus, dass die Bevölkerung dann schrumpfen wird. In diesem Projekt haben wir die elementaren Einflussfaktoren auf die globale Bevölkerungszahl betrachtet: Geburten und Sterbefälle. Auf der Basis von großen Datenmengen seit 1950 wurde die vergangene Entwicklung im Rahmen mehrerer mathematischer Modelle skizziert. Die relevanten Einflussgrößen wurden durch Funktionen angenähert und in einem Prognosemodell berücksichtigt. In mehrere Szenarien wurden Was-ist-wenn-Fragen beantwortet. Interessanterweise war das Maximum der Weltbevölkerung wie auch der Zeitpunkt, zu dem es erreicht wurde, relativ robust gegenüber Schwankungen in den Eingabedaten. Auch diese Beobachtung konnte im Rahmen des Modells erklärt werden.
Thema 5: Profiling für deine Routenplanung
In diesem Projekt beschäftigten sich die Schülerinnen und Schüler mit der Routenzeitberechnung von Navigationsdiensten. Da es sehr aufwändig ist, für jeden einzelnen Straßenabschnitt in Rheinland-Pfalz die Reisedauer zu erfassen, besteht ein typischer Ansatz darin, aus gegebenen Daten zu tatsächlich gefahrenen Strecken ein sogenanntes Geschwindigkeitsprofil zu erstellen. In einem solchen Profil kann jeder Straßenabschnitt einer Klasse zugewiesen werden und anschließend wird die typische Geschwindigkeit der Klasse für den Straßenabschnitt angenommen. Für eine gegebene Strecke können somit die einzelnen Reisedauern der Streckenabschnitte berechnet und anschließend addiert werden, um die Gesamtreisezeit zu erhalten.
Die vorhandenen OpenStreetMap-Routendaten der Schüler:innen beinhalteten detaillierte Informationen zu den jeweiligen Straßeneigenschaften: Straßenbelag, Straßentyp, erlaubte Höchstgeschwindigkeit, Distanz, Dauer, ... Aus diesen ca. 1000 Datensätzen konnten die Schüler:innen ihre gewünschten Daten extrahieren und entwickelten damit drei unterschiedliche Geschwindigkeitsprofile, die sie anschließend validierten. Ein Signifikanztest (Welch-Test) ergab eine signifikante Verbesserung von Profil 1 zu Profil 2 zu Profiil 3.