Felix-Klein-Modellierungswoche, 18. - 23. Februar 2024
Mit knapp 50 Schüler:innen, Lehrkräften und KOMMS-Mitarbeiter:innen waren wir diesmal in der Eifelsteig-Jugendherberge Gerolstein zu Gast. Mit der Modellierungswoche wollen wir interessierte Schüler:innen fördern und die Teilnehmenden individuell unterstützen, Modellierungskompetenzen zu erwerben. Dazu arbeiteten die Teilnehmenden während der ersten Modellierungswoche des Jahres in kleinen Gruppen. Folgende Modellierungsaufgaben, die zum Teil aus Forschungs- oder Industrieprojekten entstammen und passend für die Zielgruppe aufbereitet wurden, standen dabei im Mittelpunkt:
- Thema 1: Die Sprache von Tieren verstehen
- Thema 2: Risiko Starkregen
- Thema 3: Planung des Studienverlaufs
- Thema 4: Der Schattenwurf eines Gebäudes
- Thema 5: Rauchableitung in Innenräumen
- Thema 6: Der perfekte Standort für Dein neues Café
- Thema 7: Filmempfehlungen auf Netflix
Thema 1: Die Sprache von Tieren verstehen
Im Projekt Die Sprache von Tieren verstehen war das Ziel, ein mathematisches Modell zu implementieren, welches in der Lage ist, mithilfe von Data Science und KI Tierstimmen zu erkennen. Data Science und KI ermöglichen die Analyse große Datenmengen von Tierstimmen. Dadurch wird ein datengestütztes Erkennen und Unterscheiden von Tiergeräuschen realisierbar – ein erster Schritt, um neuartige Muster in der Tierkommunikation zu finden, welche uns ermöglichen, Tiere (besser) zu verstehen.
Die Projektgruppe wählte einen Datensatz aus jeweils 112 Audioaufnahmen von Hunden und 167 Aufnahmen von Katzen als Basis. In einem ersten Schritt suchte die Gruppe zunächst in Visualisierungen von Audiodateien nach Charakteristiken zu den folgenden vier Tierlauten: Miauen, Schnurren, Jaulen und Bellen. In einem nächsten Schritt wurden deskriptive statistische Maße, wie z.B. der Mittelwert und die Standardabweichung über alle aktiven Frequenzen zu jedem Zeitpunkt betrachtet, um die zuvor gefundenen Charakteristiken zu mathematisieren. Zudem wurden einige Audiodateien so geschnitten, dass nur Audioschnipsel entstanden, die nur eines der vier Laute beinhalteten. In einem nächsten Schritt wurde der so gewonnene, bearbeitete Datensatz in einen Trainings- und einen Testdatensatz geteilt und ein mathematisches Modell in Python entwickelt, welches die oben gefundenen Charakteristiken (Features) der vier verschiedenen Laute aus dem Trainingsdatensatz berechnet und gewichtet. Die Gewichtung wurde von der Gruppe in Abhängigkeit der Standardabweichung der Features gewählt. Hierbei wurden Features mit einer geringen Standardabweichung höher gewichtet als Features mit hoher Standardabweichung. Danach wurde der Testdatensatz herangezogen, um das Modell zu validieren. Dabei wurde ausgegeben, zu wie viel Prozent die Daten aus dem Testdatensatz mit Schnurren, Miauen, Jaulen und Bellen aus dem Trainingsdatensatz übereinstimmen.
So gelang es der Gruppe, ganz ohne „Black-Box“-KI-Methoden eine kleine KI zu generieren, welche basierend auf simplen statistischen Maßen mit einer beachtlichen Erkennungsrate von 75 % Hunde bellen, Hunde jaulen, Katzen schnurren und Katzen miauen identifizieren konnte. Herzlichen Glückwunsch!
Thema 2: Risiko Starkregen
Im Projekt Risiko Starkregen untersuchten die Schüler:innen unter welchen Bedingungen es bei Starkregenereignissen zu einem Rückstau im Kanalsystem und zu Überschwemmungen kommt. In den letzten Jahren häufen sich Nachrichten über Unwetter mit starken Regenfällen. Vor allem in Städten mit hohem Versiegelungsgrad führt das oft zur Überforderung der historisch gewachsenen Kanalisationen. Die Gruppe stellte zunächst die Hauptkanäle der Kanalisation von Nürnberg in einem Netzwerk mathematisch dar. Querschnittsflächen der verschiedenen Rohrarten wurden bestimmt, indem die Formen in GeoGebra durch Funktionen modelliert und Integralrechnung angewendet wurde. Die Gruppe traf eine Annahme für die Fließgeschwindigkeit in der Kanalisation und ermittelte für jedes Rohr die Wassermenge, die pro Sekunde durchfließen kann. Die Schüler:innen berechneten den maximalen Fluss, indem sie den Ford-Fulkerson Algorithmus nachvollzogen und implementierten. Zur Ermittlung der Wassermenge, die beim Starkregen zusätzlich aufgenommen werden muss, erstellte die Gruppe ein Excel-Programm, das die Fläche der jeweiligen Stadt, den Versiegelungsgrad, die Kapazität von Sammelbecken usw. berücksichtigt. Weiterhin simulierte die Gruppe die Situation unter Verwendung der Programmiersprache Python und erstellte hiermit Visualisierungen zum Regen, zum Befüllstand der Sammelbecken und zur Überlast.
Thema 3: Planung eines Studienverlaufs
Im Projekt Planung des Studienverlaufs ging es darum, algorithmisch gute Studienverlaufspläne anhand von aufbereiteten Modulhandbüchern zu erstellen. Die Herausforderung bestand in der hohen Komplexität der Studiengänge. Viele Veranstaltungen bzw. Module werden nur im Sommer- oder Wintersemester angeboten. Teilweise müssen Voraussetzungen erfüllt sein, bevor ein Modul belegt werden darf. Terminliche Überschneidungen sind nicht erlaubt und es gibt viele verschiedene Arten von Modulen. Die Schüler:innen entwickelten dazu einen Greedy-Algorithmus. Dabei wurden alle Module anhand einer Bewertungsfunktion nach ihrer Wichtigkeit sortiert und anschließend semesterweise in den Studienplan integriert. Die wichtigsten Module wurden priorisiert, terminliche Überschneidungen vermieden und Voraussetzungen berücksichtigt. Die Algorithmen wurden in Python implementiert und es wurde eine Methode zur Visualisierung von Studienverlaufsplänen entwickelt.
Thema 4: Schattenwurf eines Gebäudes
Im Sommer kann an Orten mit starker Sonneneinstrahlung große Hitze entstehen, die oft für viele Menschen sogar gesundheitsgefährdend ist. Um solche Gebiete zu meiden und auf dem Weg von einem Ort zum anderen möglichst viel im Schatten zu laufen, ist die Kenntnis über schattige Orte von entscheidender Bedeutung.
In diesem Projekt untersuchten die Schüler:innen den Schattenwurf verschiedener Gebäudeformen. Mit Hilfe analytischer Geometrie konnte der Schattenwurf als Ebene modelliert werden. Unter Berücksichtigung von Sonnenhöhe und Azimut gelang es, die Strahlen der Sonne als Vektor zu modellieren, mit Hilfe dessen die Schattenebene berechnet werden konnte. Durch eine Simulation in GeoGebra wurde so für unterschiedliche Höhen und Einfallswinkel der Sonne der Schattenwurf eines Gebäudes bestimmt.
Hierbei spielt die Uhrzeit eine entscheidende Rolle für die Form und Größe der Schattenfläche. Neben der Simulation in GeoGebra implementierten die Schüler:innen eine Python-Funktion, die für jeden Zeitpunkt eines beliebigen Tages die Höhe und den Einfallswinkel der Sonne berechnet. Diese Informationen konnten dann genutzt werden, um für ein konkretes Gebäude – die Schüler:innen wählten hier das Flatiron Building in New York – eine Heatmap zu erstellen, die für die umliegende Fläche des Gebäudes den Grad der Verschattung zu allen Tageszeiten angibt.
Thema 5: Rauchableitung in Innenräumen
Im Fall eines Brandes kommt es auf jede Sekunde an: Gesetzlich vorgeschrieben ist, dass maximal 8 Minuten vergehen dürfen, bis die Feuerwehr am Einsatzort angekommen sein muss. Der vorbeugende Brandschutz muss sicherstellen, dass eingeschlossene Menschen lange genug überleben können, bis sie gerettet werden. Von den vielfältigen Aspekten, die hierbei zu berücksichtigen sind, beschäftigten sich die Schüler:innen mit der Rauchableitung in Innenräumen. Dazu stellten sie unter Berücksichtigung von materialspezifischen Werten, wie beispielsweise Abbrandrate und Brandausbreitungsgeschwindigkeit, ein einfaches Modell zur Rauchentwicklung bei einem sich ausbreitenden Brand auf. Sie erstellten zudem ein Python-Programm, das über verschiedene Eingabeabfragen, wie beispielsweise Raumgröße, brennendes Material oder Höhe der als rauchfrei geforderten Luftschicht, auf verschiedene Rahmenbedingungen angepasst werden kann. Mithilfe dieses Programms ermittelten die Schüler:innen iterativ, zu welchen Zeiten die minimale Sicherheitshöhe unterschritten wird, und veranlassten in einem nächsten Schritt das Einschalten von maschinellen Rauchabzugsanlagen. Das Programm gibt nach seiner Beendigung außerdem die Anzahl der benötigten Rauchabzüge aus. Die Schüler:innen banden zuletzt auch natürliche Rauchabzugsanlagen in ihr Modell ein.
Thema 6: Der perfekte Standort für Dein neues Café
Der perfekte Standort für Dein neues Café wurde im gleichnamigen Projekt gefunden. Für Kaiserslautern sollte mathematisch bestimmt werden, wo ein neues Café gewinnbringend eröffnet werden kann. Dafür haben die Schüler:innen zunächst die möglichen Gebiete ermittelt, wo potenzielle Kund:innen des Cafés herkommen. Diese Standorte umfassten zum Beispiel Schulen mit Oberstufen, Universitäten und Hochschulen, Wohngebiete, Parks und mehr. Diese Gebiete wurden außerdem von den Schüler:innen gewichtet. Mit Hilfe von Algorithmen der Netzwerkoptimierung und Standortplanung konnten sie anschließend mehrere Standort für ein Café bestimmen, die hinsichtlich der Nähe zu den gegebenen Kund:innengebieten verschieden gut waren. Im Nachgang zu diesen Berechnungen haben sie dann für 5 gefundene potenzielle Café-Standorte die Mietpreise analysiert. Mit Hilfe dieser konnten sie dann verschiedene Möglichkeiten für einen neuen Standort präsentieren, die jeweils entweder hinsichtlich der Nähe zu den Kund:innen oder den Mietpreisen besser als andere potenzielle Standorte waren.
Thema 7: Filmempfehlungen auf Netflix
Während man im Fernsehen oft lange suchen muss, bis man einen ansprechenden Film gefunden hat, wird man auf Netflix meist sehr schnell fündig, denn der Streamingdienst erstellt für seine Nutzer personalisierte Film- und Serienempfehlungen. Im Projekt Filmempfehlungen auf Netflix beschäftigten sich die Schüler:innen mit der Frage, wie solche Filmempfehlungen für Nutzer der Streaming-Plattform generiert werden können. Dazu stand den Schüler:innen ein beispielhafter Datensatz zur Verfügung, der neben der Wiedergabehistorie von fiktiven Nutzern auch Filmbewertungen sowie Filmgenres enthielt. Das erste von den Schüler:innen entwickelte Verfahren sortiert die Filme nach ihrer durchschnittlichen Bewertung und schlägt eine bestimmte Anzahl der am besten bewerteten Filme vor. Anschließend entwickelten die Schüler:innen ein personalisiertes Verfahren, welches auf der Ähnlichkeit zwischen Nutzern beruht. Dazu wurde für einen gegebenen Nutzer A der Nutzer B ermittelt, der die größte Schnittmenge an Wiedergaben mit Nutzer A hat. Die Filme von Nutzer B, die Nutzer A noch nicht gesehen hat, wurden vorgeschlagen. Die Schüler:innen optimierten das Verfahren, indem sie zusätzlich die Nutzerbewertungen berücksichtigten. Darüber hinaus entwickelten die Schüler:innen ein Verfahren, das die durchschnittliche Bewertung der Filme eines Genres mit der Anzahl der geschauten Filme des Genres zu einer Kennzahl kombiniert und dann die am besten bewerteten Filme des Genres vorschlägt, das unter dieser Kennzahl am besten abschneidet. Die Schüler:innen analysierten die Vor- und Nachteile der entwickelten Verfahren kritisch. Sie kombinierten die einzelnen Verfahren, indem sie alle vorgeschlagenen Filme sammelten und dann die Filme vorschlugen, die von den einzelnen Verfahren am häufigsten vorgeschlagen wurden. Die entwickelten Verfahren wurden in Lazarus implementiert.
Exkursion und Freizeitprogramm
Unser Ausflug führte uns zum Gerolsteiner Sprudel Besucherzentrum, wo uns interessante Infos, eine Werksbesichtigung mit spannendem Einblick in die Mineralwasser-Abfüllung und jede Menge Getränke zum Durchprobieren erwarteten. Den Rückweg traten wir zu Fuß an und wanderten hierbei über einen Teil des Eifelsteigs durch die Gerolsteiner Dolomiten. Das Freizeitprogramm wurde durch Spieleabende, ein Tischtennisturnier und optionale morgendliche Laufrunden abgerundet.