Felix-Klein-Kolloquium: Lyapunovs zweite Methode - Neues zu einem Klassiker
Im Jahr 1892 legte Lyapunov die Grundlagen der modernen Stabilitätstheorie dynamischer Systeme, indem er zunächst die Begriffe der Stabilität (im Sinne von Lyapunov) und der asymptotischen Stabilität prägte. Er verwendete dann verallgemeinerte Energiefunktionen, die heutzutage Lyapunovfunktionen heißen, um hinreichende Bedingungen für asymptotische Stabilität anzugeben. Ein wesentlicher Vorteil seiner Methodik ist, dass keine Kenntnis der Systemtrajektorien benötigt wird, sodass das Verfahren für eine Vielzahl von Systemen Anwendung gefunden hat. In der westlichen Literatur fanden seine Resultate
erst spät Beachtung. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aber werden weltweit Anwendungen, Erweiterungen und Spezialfälle von Lyapunovs Resultaten untersucht.
Die Methodik wurde insbesondere für unendlichdimensionale Systeme weiterentwickelt. Datko zeigte im Jahr 1970, dass für stark stetige Halbgruppen auf Hilberträumen exponentielle Stabilität genau dann vorliegt, wenn eine quadratische Lyapunovfunktion existiert. Der entscheidende neue unendlichdimensionale Aspekt an diesem Resultat ist, dass es in bestimmten Fällen keine quadratische und zugleich koerzive Lyapunov-Funktion geben kann. Ganz anders wurde bei der Behandlung nichtlinearer partieller Differentialgleichungen vorgegangen, wo in klassischen Büchern direkte Lyapunovsätze regelmäßig Koerzivität voraussetzen. Die entsprechenden Beweise sind dann auch einfache Verallgemeinerungen des endlich-dimensionalen Vorgehens.
Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit diese Annahme in der Theoriebildung gerechtfertigt ist und welchen Stellenwert die Bedingung der Koerzivität wirklich hat. Es zeigt sich, dass man auch ohne diese Bedingung einiges erreichen kann.
Im Vortrag wird ein Überblick über die Entwicklung der Theorie der Lyapunovfunktionen gegeben sowie einige Anwendungen beleuchtet, die über Stabilitätsfragen hinausgehen. Schließlich wird die Bedeutung von Koerzivitätsbedingungen im endlich- und unendlichdimensionalen Fall diskutiert.
Referent: Prof. Dr. Fabian Wirth, Universität Passau
(in Kooperation mit Andrii Mironchenko und Michael Schönlein)
Zeit: 17:15 - 18:30 Uhr
Ort: Gebäude 48, Raum 210
Die Vorträge des Felix-Klein-Kolloquiums finden jeweils um 17.15 Uhr im Raum 210 des Mathematik-Gebäudes 48 statt. Zuvor gibt es ab 16.45 Uhr die Gelegenheit, die Sprecherin oder den Sprecher beim Kolloquiumstee in Raum 580 zu treffen.